Das Kiel-Desaster
Es war der 2. Oktober des Jahres 1993. Der Tag ließ Großes verheißen, denn wir hatten einen Auftritt in der Kieler Pumpe. Zudem war es ein Percussion-Festival zusammen mit einer bekannten Trommel-Band aus Westafrika. Und in der Pumpe aufzutreten hieß schon was: hier stiegen die Größen des Rock- und Show-Geschäfts regelmäßig ab.
Auch finanziell war dieser Gig insofern noch lukrativ, weil wir dem Veranstalter die PA und Lichtanlage nebst Personal gleich mitvermietet hatten.
Unser bis unters Dach mit Boxen, Licht-Equipment und Instrumenten vollgepackte 7,5-Tonner war bereits am frühen Morgen Richtung Kiel aufgebrochen. Wir Musiker zogen einen gemütlichen Kleinbus vor. Und so zog die fröhliche Reisegesellschaft am entspannten Vormittag auf der A1 gen Norden. Kurz vor Münster stockte der Verkehr und kam alsbald zum Erliegen. Das Radio berichtete von einer Vollsperrung der A1 aufgrund eines umgestürzten LKWs. Da brach dann schon leichte Panik aus, aber wir folgten schließlich einer Umleitungsstrecke und erreichten nach sechsstündiger Autobahntour das ersehnte Gelände der Pumpe in Kiel. In Erwartung unserer bereits aufgebauten PA betraten wir jedoch einen leeren Saal und der Veranstalter hüpfte auch schon etwas ungeduldig umher. In vier Stunden sollte Einlass sein, die Band aus Ghana war auch schon da – nur unser LKW samt kompletter Technik glänzte vor Abwesenheit. Es war die Zeit, in der es noch keine Handys gab. Man konnte also nicht in Erfahrung bringen, wo die Technik denn steckte. Vermutlich waren unsere Jungs wohl in den Stau geraten, den wir glücklicherweise noch umfahren konnten. Es wurde 18 Uhr. Noch immer keine Spur unseres LKWs. Eine Krisensitzung wurde einberufen und das Festival stand auf der Kippe. Nur noch eine Stunde bis Einlass. Das war vom Zeitplan her völlig utopisch. Um 19 Uhr war das Sorgenbarometer bei allen Beteiligten bereits am Anschlag, als kurz drauf ein LKW die Hofeinfahrt hereindonnerte und unsere Technik-Jungs kreidebleich aus der Fahrerkanzel sprangen, als hätte sie der Teufel persönlich geritten.
Die Story ging so: Kurz hinter Münster platzte der rechte Hinterreifen, weswegen der LKW ins Schlingern geriet, nicht mehr steuerbar war und seitlings mitten auf die A1 stürzte. Es war UNSER LKW, der den Stau verursacht hatte! Glücklicherweise ist niemand zu Schaden gekommen. Auch den LKW hatte es augensichtlich nicht zerlegt. Dann kam die große Nummer mit Polizei und Kranwagen, der den LKW schließlich aufrichtete. Mit aufgezogenem Ersatzrad traten unsere Jungs nicht nur vollen Mutes ihre Weiterreise an, sondern auch voll aufs Gaspedal – bis zu jenem tragischen Moment, als nun auch der Ersatzreifen platzte! Der LKW konnte noch auf den Seitenstreifen gelenkt werden und die Reise wurde erneut jäh unterbrochen. Die Herren – auch die des ADAC (die nun ein weiteres Ersatzrad organsiert hatten) – waren außer sich. Der Versuch seitens unserer Techniker den Veranstalter telefonisch zu informieren scheiterte daran, dass in den Wirren der Ereignisse die Unterlagen mit Anschrift und Kontaktdaten verloren gegangen waren.
Erstaunlicherweise war der LKW lediglich auf der Seitenfläche angeschrammt, ansonsten war der Kastenaufbau des 7,5-Tonners unversehrt. Womöglich hatte die kompakte Beladung den Aufprall wie ein Panzer abgefedert. Lediglich die Quica (brasilianische Blechtrommel) unseres Perkussionisten lieferte ein Zeugnis der Ereignisse: Sie war platt wie eine Flunder.
Am Ende fand das Konzert mit langen Stunden der Verspätung doch noch statt.